Gedanken zum Umgang mit Gedenkorten

Stellungnahme des Vorsitzenden des Betroffenenbeirats im Bistum Speyer - Bernd Held

Betroffene, die sich melden und solche, die ihre Erlebnisse für sich behalten,leiden darunter, dass die Öffentlichkeit das Wissen um Täter meist nicht thematisiert, im Gegenteilsogarpositive Taten hervorhebt und die Täterschaft verschweigt.

Dieses Verhalten wirkt im Raum Kirche besonders schwer, beansprucht Kirche von ihren führenden Vertretern doch besonders moralische Grundsätze. Auch Mitarbeiter der Kirche und Katholiken berufen sich auf das Evangelium, weshalb Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren gehen und gegen Null tendieren.

Umgekehrt können Betroffene Kirchen nicht mehr betreten, erfahren Flashbacks, wenn sie an Pfarrhäusern, Heimen und anderen Orten vorbeimüssen. Viele Einzelheiten erinnern Betroffene an längst zurückliegende Erlebnisse und bewirken Retraumatisierung. Die Umgebung, selbst nahe Verwandte und Freunde verstehen die Reaktionen von Betroffenen nicht, da sie ja nicht wissen, was in ihnen vorgeht.

Es kann erneut zu Vorwürfen und Schuldzuweisungen kommen, wenn jemand z.B. nicht bereit sein kann, Geistliche zu begrüßen, bei einem Familienfest nicht mit in eine Kirche gehen kann und vieles andere mehr.

Es ist auch verständlich, dass nicht jeder Geistliche, jeder Mitarbeiter in Pfarrei und Bistum, nicht jeder Christ in Mithaftung genommen werden will für all die Taten, die nach und nach bekannt werden. Auch Angehörige von Tätern fühlen sich zu Unrecht diskreditiert.

 

Leitsätze für die Mitarbeit

Es gelten unserer Meinung nach die Worte:

"Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde." (Mt 18,6 || Mk 9,42)
Aber auch: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!" (Joh 8,7)

Diese Evangeliumsworte sind für uns Leitsätze für unsere Mitarbeit in den beiden Gremien.

 

 

Mit Gedenkorten, Liedern, Texten und Ehrungen verantwortungsvoll umgehen

Wir möchten einige Forderungen nennen, die wir für machbar halten:

1. Straßen und Plätze

Die Besitzer der Straße sind für den Namen verantwortlich. Das öffentliche Wirken des Täters kann u.E. sehr wohl benannt bleiben, aber zusätzlich eine Beschreibung der negativen Taten erfolgen.

Beispiel Landau: "Von 19xy bisxyBischof von Speyer. Als Kardinal von München / Freising wurde ihm in der Missbrauchsstudie xy Fehlverhalten und Vertuschung vorgeworfen"

2. Ehrengräber

Sie sind im Besitz von Kirchen und/oder Kommunen. Insofern sind auch hier die Besitzer verantwortlich für Benennungen auf Plaketten, die angebracht werden können. Betroffenenbeirat bzw. UAK können Forderungen stellen, evtl. auch Textvorschläge machen, es bleibt aber bei der Verantwortlichkeit der jeweiligen Besitzer. Es müssen in jedem Fall auch gewählte Gremien entscheiden, da finanzielle Folgen von Pfarrei bzw. Kommune zu tragen sind und Rechtfertigungen aus der Öffentlichkeit verlangt werden können.

Etwa "im Rahmen der unabhängigen Aufarbeitung des Bistums Speyer wurden post mortem bei dem xy Machtmissbrauch festgestellt."

3. Gräber

Gräber, die im Besitz von Angehörigen sind können wohl nicht mit einer solchen Forderung belegt werden. Mag sein, dass Angehörige bald nach Veröffentlichung der Studie, - wenn der Name genannt wird - von sich aus die Gräber einebnen lassen.

4. Lieder, die in Kirchen häufig gesungen werden

Weder Lieder, noch andere Texte und Bücher können u.E. einfach verboten werden, da ein solches Verhalten einer alten Form eines Indexverzeichnisses gleich käme. Die Verantwortung, welche Lieder bei welcher Gelegenheit ausgewählt und gesungen werden, auch welche Worte und Texte zitiert oder rezitiert werden sollen, liegt bei den Veranstaltern = Pfarrer, Chorleiter, Lektor usw.

Somit müsste den Verantwortlichen z.B. schriftlich bekannt gemacht sein, dass Autoren sich des Missbrauchs schuldig gemacht haben. Die Verantwortlichen müssen dann entscheiden, ob ein Lied, ein Text dennoch zu Gehör gebracht werden soll. Wer eine entsprechende Nachricht z.B. des Bischofs ignoriert, macht sich der Vertuschung schuldig. Auch das sollte in einem Schreiben stehen.

5. Fotos und Portraits

Führende Bischöfe und Geistliche sind in Kirchen, Ordinariaten, Häusern ihres Wirkens abgebildet. Betroffene, die dort hinkommen, evtl. es müssen, sind konfrontiert mit ihrer Erinnerung. Unsere Tagungen im Priesterseminar Speyer zeigen eine Bilderwand mit vielen Fotos von Weihejahrgängen und Einzelfotos von Generalvikaren und ehemaligen Regenten. Kein Priesteramtskandidat, kein Studierender der Theologie und Gemeindearbeit, kein Besucher kann anhand der Fotos das Bemühen des Bistums erkennen, Missbrauchstaten aufzuarbeiten.

Wer ohne Sünde ist werfe den ersten Stein sagt Jesus und alle gehen, die Ältesten zuerst. Dieses Bibelwort könnte zu lesen sein und möchte alle bedenken, wenn sie unter anderen Fotos das schwerwiegende Wort vom Mühlstein lesen könnten.

Es stünde der Leitung des Bistums auch gut an, wenn an Tagen von Veranstaltungen eine Kerze brennen dürfte für beides: Die Sünde und die Arroganz über den Sünder.

6. Orden und Ehrungen

Kardinal Wetter und Bischof Zollitsch haben ihre Verdienstorden kürzlich zurückgegeben und sind einer möglichen Aberkennung zuvorgekommen.

In der Öffentlichkeit wurden u.E. vielen Personen – verstorbenen wie lebenden - Ehrenmitgliedschaften oder Bistumsplaketten verliehen.

Wer argumentiert, bestimmte Ehrungen bezögen sich nur auf bestimmte Leistungen, hätten somit nichts mit der Persönlichkeit oder dem Lebenswerk des Geehrten zu tun, hilft u.E. mit, negatives Verhalten zu verschweigen und zu vertuschen.

Wer z.B. für seine Leistung als Sänger oder Chorleiter geehrt wird, wird zugleich geehrt für seine Tätigkeit zusammen und bei anderen Menschen. Ein solchermaßen Geehrter wird die Ehrung auch so für sich ansehen und nicht nur meinen, er könne halt gut singen. Im Gegenteil, er wird die Ehrung auch als Begründung heranziehen für seine gute Reputation und findet, man ehre und achte ihn als Person.

Selbst eine technische oder medizische Erfindung im stillen Kämmerchen wird dann öffentlich geehrt und wertgeschätzt, wenn sie für andere Menschen hilfreich wird. Die ganze Person und nicht die schlauen Gedanken werden geehrt.

Daher ist es u.E. falsch bei Ehrungen zu differenzieren zwischen  Leistung und Persönlichkeit.

Die genannten Beispiele sind u.E. Ausfluss von anwaltlichen Abwehrreaktionen.

Kirchen, die eine Aufarbeitung wirklich wollen, steht diese Argumentation nicht gut an.

Gedenkveranstaltung für Betroffene sexualisierter Gewalt

Die Erinnerung wach halten, um daraus für die Zukunft zu lernen, so lautete der Tenor der Gedenkveranstaltung zum Gedenktag für Betroffene sexualisierter Gewalt, die am Samstag, 18. November auf dem Kardinal-Wetter-Platz vor der Landauer Marienkirche stattfand. Die Zusammenkunft stand unter der Überschrift: "Erinnerungskultur – Betroffenen Raum und Gehör geben".

Weitere Infos finden Sie hier ...

Flyer des Betroffenenbeirats

Um den Flyer mit weiteren Informationen herunterzuladen klicken Sie einfach auf das Bild.

Hilfe und Prävention

Hier erhalten Sie weitere Infos zum Themenbereich Hilfe und Prävention von sexuellem Missbrauch. Klicken Sie einfach auf das Bild.