Die historische Windmaschine
Punktlandung
Pünktlich zum 100. Geburtstag der Steinmeyer-Orgel am 26. Oktober 2024 konnte durch Spenden (herzlichen Dank allen für die Unterstützung) die historische Windmaschine von 1924 nach umfangreicher Renovierung montiert und angeschlossen werden. Freuen Sie sich mit uns über das hörbare Ergebnis der Wiederinbetriebnahme.
Doch Technik und Orgeldisposition fanden vor einem Jahrhundert auch ihre Kritiker.
Zweifel an der modernen Technik und "großartigen" Disposition
Im April 1924 hatte der damalige Domkapellmeister Drescher wegen der Disposition und der damals hochmodernen elektrischen Traktur große Bedenken. In seinem Gutachten schreibt er:
"Freilich darf die Bemerkung nicht unterdrückt werden, daß die befriedigende Ausnützung der Klangmöglichkeiten dieser Orgel wohl einen Meister erfordert, der noch dazu für seine jeweiligen Dienste sich gründlich vorbereitet."
Und er ist der Ansicht, dass "die Landauer Orgel ... mit elektrischer Traktur und ausschließlich elektrischer Winderzeugung ... dann wird sie, falls einmal kein Strom zur Verfügung steht, vollständig schweigen. Ja es kann mit Bestimmtheit vorausgesagt werden, daß dieser Fall wiederholt bei Hochamt und Vesper der höchsten Feiertage eintreten wird."
Wie gut, dass die Technik weiter fortgeschritten und die Organisten an der Marienkirche Meister ihres Fachs und "gründlich vorbereitet" sind.
aus dem Gutachten des Orgelsachverständigen
Der Orgelsachverständige der Diözese Speyer, Herr Hilar Hauk, beurteilt nach der Orgelweihe das Instrument etwas anders.
"So freue ich mich abschliessend feststellen zu können, dass mit diesem Bau ein Meisterwerk fertig gestellt ist, das seinem Erbauer, unserer lieben Pfalz, der Stadt Landau und insbesondere der katholischen Kultusgemeinde daselbst zur vollen Ehre gereicht."
Er ist auch von der Elektropneumatik begeistert und schreibt über die Windmaschine der Orgel:
"Das Gebläse wird bedient durch einen Hochdruckventilator, der 65 cbm. Presslutt in der Minute liefert und so vollständig seinem Zwecke nachkommen kann. Antrieb ist ein Gleichstrommotor mit 4 P.S. und 1400 Minutenumdrehungen, 220 Volt , leistend."
Zum Geburtstag 65 Kubikmeter Luft für die Königin
Was schenkt man der Königin der Instrumente, einer Orgel, zum 100. Geburtstag? Genügend Luft ist sicher eine gute Wahl, das wusste schon Johann Sebastian Bach.
Vor genau 100 Jahren am 26.10.1924 wurde die große Orgel in der Marienkirche in Landau feierlich eingeweiht. Von Fachleuten zunächst mit Argwohn betrachtet, wegen ihrer elektrischen Traktur, übersteht das Instrument den zweiten Weltkrieg mit Blessuren. Nach Renovierung, Reduzierung und mehreren Modernisierungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Orgel nun im nahezu originalen Zustand wiederhergestellt. Ein Orgel-Kleinod von europäischem Spitzenformat steht in der Pfalz.
Wie im Brennglas zeigt sich die Vielfältigkeit des Instruments an seinem Jubiläumswochenende. Die Gemeinde der Marienkirche schenkt sich und der interessierten Zuhörerschaft eine Konzertreihe, die am Samstag, dem 26.10.2024 mit dem Auftritt des Speyrer Domorganisten Markus Eichenlaub endet.
Medial sind Konzerte und Gottesdienste in der Marienkirche Landau auf absolutem Spitzenniveau. Die Konzertbesucher erhalten auf der großen Leinwand im Altarraum live Einblicke in das Innenleben der Orgel und können dem Organisten direkt auf die Finger bzw. Füße schauen. So sieht die erstaunte Zuhörerschaft Markus Eichenlaub auf der Empore dieses Mal ganz alleine mit seinem Instrument. Niemand blättert die Noten um oder hilft bei Registerwechseln. Der Künstler verrät uns den Kniff: mit einer kleinen Gesichtsgeste blättert er auf dem Pad, welches mittlerweile die Noten enthält, auf die nächste Seite. Alle Registerwechsel kann er selbst während des Spiels direkt am Spieltisch abrufen. Die dazu unerlässliche akribische Vorbereitung bleibt den Zuhörern verborgen. Ca. 20 Stunden dauerte die Vorbereitung der Registration und deren Programmierung in 750 Kombinationen. Das alles zusammen ermöglicht virtuose Orgelmusik auf höchstem Niveau.
In einer feinsinnig gesetzten Werkauswahl zeichnet Markus Eichenlaub einen atemberaubenden Weg durch die Vielfalt des Instruments und seiner Spielliteratur. Mit dem Carillon da festa „Happy Brithday“ beginnt sein Rundgang durch die Orgelmusik. Neben einem der intensivste Werke Bachs, der Chaconne d-Moll in einer Bearbeitung für die Orgel, erklingen besinnliche, meditative Momente: Percy William Whitlock, Folk Tune und Max Reger, Ave Maria. Es klingt, als ob die Vögel wirklich im großen Kirchenraum sind in Marco Enrico Bossi, „Gespräch mit den Schwalben“.
Das Pfeifenwerk tanzt und brilliert bis hin zu Höhepunkten virtuoser Orgelliteratur in der Rumba sur le grand jeux von Pierre Cholley und im fantastischen Scherzo aus Charles Maria Widors 4. Orgelsinfonie.
Im abschließenden Zyklus von acht kurzen Stücken von Sigfrid Karg-Elert präsentiert Markus Eichenlaub nochmals wie in einem Kaleidoskop die klangliche Vielfalt dieser Orgel mit ihren 72 Registern und drei Manualen.
Am Ende dieses spektakulären Jubiläumskonzertes wird der Künstler mit stehenden Ovationen, jedoch nicht ohne Zugabe, der Humoresque von Pietro Yon, entlassen.
Bereits am nächsten Morgen versammeln sich die Menschen in großer Runde wieder um ihre Orgel, dieses Mal, um sie in ihrem liturgischen Rahmen zu erleben. Den Festgottesdienst feiern musikalisch mit der Gemeinde der Chorklang St. Ingbert unter Leitung von Christian v. Blohn und Horst Christill an der Orgel. Sie bringen die Missa in D-Dur von Antonin Dvorak zu Gehör. Nun in ihrem angestammten liturgischen Element, zeigt die Marienkirchenorgel wie gut ihre Klangfarben mit dem Chorgesang des Dvorak verschmelzen. Im mächtigen Schlusslied der Gemeinde „Großer Gott“, grandios begleitet vom Organist Horst Christill, in dem wortwörtlich nochmals alle Register gezogen werden, zeigt sich wie ideal die Intonation des Instruments auf den Raum abgestimmt ist. Auch in größter Lautstärke klingt die Orgel immer angenehm und lässt genug Raum für den Gesang der Gemeinde. Zusammen mit dem neuen Lichtkreuz im Altarraum und dessen subtiler Beleuchtung entstehen immer wieder neue Klang- und Raumerlebnisse.
Ihren „richtigen langanhaltenden Atem“ hat das große Instrument erst 2024 wieder, so Dekan Axel Brecht. Am Tag vor dem Jubiläumskonzert wird die originale Windmaschine - gründlich renoviert – erstmals nach jahrzehntelangem Schweigen wieder zugeschaltet. Mit 65 Kubikmeter Luft in der Minute sorgt der zusätzliche Motor für Stabilität in jeder spielerischen Situation des Orgelwerks. Mit neuer, noch nie da gewesener mächtiger Klangfülle macht sich das Instrument auf den Weg in das begonnene 21. Jahrhundert. Möge die Steinmeyer-Orgel klingen, ad maiorem dei gloriam, und unser Leben und das kommender Generationen begleiten, so wie sie es die vergangenen 100 Jahre stets getan hat.
Text: Dr. Markus Kiefer