Glückwunsch zum 100jährigen Geburtstag

Die Steinmeyer-Orgel 1924

Bereits ein Jahr vor der Konsekration der Marienkirche 1911 gab es Vorüberlegungen hinsichtlich der Anschaffung einer Orgel. Fehlende Mittel und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs erzwangen eine Verschiebung des Projektes.

Zuerst: Solenner Auftakt vor vollem Hause

Am 26. Oktober 1924 fand durch Bischof Dr. Ludwig Sebastian die feierliche Weihe der Orgel aus dem Hause G.F. Steinmeyer & Co statt.
Von diesem Feiertag für die Marienkirche gibt die Festschrift zur Orgelweihe 1924 ein gutes Zeugnis ab:

"Um einer Ueberfüllung vorzubeugen, können zu dieser Feier nur Pfarrangehörige und die geladenen Cäcilienvereine zugelassen werden. Für die breite Oeffentlichkeit findet am 1. Nov. nachmittags 3 Uhr ein Künstler-Konzert statt.“

Dieser bemerkenswerte Satz findet sich auf der „Vortrags-Folge der kirchenmusikalischen Aufführung am 26. Oktober 1924“, die nachmittags im Anschluss an die „Ansprache des Hochwürdigsten Herrn Bischofs“ in der Landauer Pfarrkirche St. Maria erklang.

Am Vormittag desselben Tages fand die Weihe der neuen Orgel der Firma G. F. Steinmeyer & Co mit der Opusnummer 1384 durch Bischof Dr. Ludwig Sebastian statt. Es war mit 72 Registern das zweitgrößte Instrument der Pfalz, übertroffen nur von der Orgel im Dom zu Speyer.

Im auf die Weihe folgenden „Feierlichen Pontifikalamt“ brachte der Pfarrcäcilienverein die „Missa in honorem Sanctae Luciae“ von Witt zur Aufführung. An der Orgel saß Domorganist Jacob aus Speyer.

Für die Landauer Katholiken war es ohne Zweifel ein großer Tag: Dreizehn Jahre hatten sie in der 1911 geweihten Marienkirche (bis auf den heutigen Tag die größte Kirche des Bistums Speyer nach dem Kaiserdom und ein charakteristi­sches Bauwerk des späten Historismus) ohne Orgel auskommen müssen.

Das „für die breite Öffentlichkeit“ in Aussicht gestellte Orgelkonzert von Franz Philipp („Direktor des Bad. Konservatoriums Karlsruhe“) gefiel jedoch in einer Besprechung des „Pfälzischen Anzeigers“ vom 2. November 1924 nur teilweise – besonders die abschließende Improvisation Philipps über „Ein Haus voll Glorie schauet“ brachte den gestrengen Herrn Kritiker ganz aus dem Häuschen:

„Wir fragen Herrn Direktor Philipp ernstlich, ob er sich eine solche sogenannte Improvisation in Karlsruhe, Sophienstraße 9, von irgend einem Schüler gefallen ließe? Mit Verlaub! Wir mußten uns von 4 Uhr 56 bis 5 Uhr 21, das sind volle 25 Minuten, martern lassen. (…) Nach manchem glücklichen Ansatz, der natürlich nie durchgeführt wurde, ging ein rasender Höllenspektakel von Läufern, Trillern, ein Aechzen und Stöhnen, ein Brummen und wildes Schreien los, bis endlich ein richtiger, handvoller Triller mit voller Orgel die Seele des Improvisators ausspie!“

Dekan Brecht zum Orgelgeburtstag: Ich danke der Presse – sofern sie hier ist und aktuell berichten möge. Die Wahrnehmung und Bedeutung von Kultur, Kirche und Orgelmusik scheint auch nach 100 Jahren je nach Redakteur/in oft sehr persönlich zu sein.

Zweifel an der modernen Technik und "großartigen" Disposition

Im April 1924 hatte der damalige Domkapellmeister Drescher wegen der Disposition und der damals hochmodernen elektrischen Traktur große Bedenken. In seinem Gutachten schreibt er:

"Freilich darf die Bemerkung nicht unterdrückt werden, daß die befriedigende Ausnützung der Klangmöglichkeiten dieser Orgel wohl einen Meister erfordert, der noch dazu für seine jeweiligen Dienste sich gründlich vorbereitet."

Und er ist der Ansicht, dass "die Landauer Orgel ...  mit elektri­scher Traktur und ausschließlich elektrischer Winderzeugung ... dann wird sie, falls einmal kein Strom zur Verfügung steht, vollständig schweigen. Ja es kann mit Bestimmtheit vorausgesagt werden, daß dieser Fall wiederholt bei Hochamt und Vesper der höchsten Feiertage eintreten wird."

Wie gut, dass die Technik weiter fortgeschritten und die Organisten an der Marienkirche Meister ihres Fachs und "gründlich vorbereitet" sind.

aus dem Gutachten des Orgelsachverständigen

Der Orgelsachverständige der Diözese Speyer, Herr Hilar Hauk, beurteilt nach der Orgelweihe das Instrument etwas anders.

"So freue ich mich abschliessend feststellen zu können, dass mit diesem Bau ein Meisterwerk fertig gestellt ist, das seinem Erbauer, unserer lieben Pfalz, der Stadt Landau und insbesondere der katholischen Kultusgemeinde daselbst zur vollen Ehre gereicht."

Er ist auch von der Elektropneumatik begeistert und schreibt über die Windmaschine der Orgel:

"Das Gebläse wird bedient durch einen Hochdruckventilator, der 65 cbm. Presslutt in der Minute liefert und so vollständig seinem Zwecke nachkommen kann. Antrieb ist ein Gleichstrommotor mit 4 P.S. und 1400 Minutenumdrehungen, 220 Volt leistend."

Bombenkrieg und fragwürdige Instandsetzung

Am 16. März 1945 - nur wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner - wurden Kirche und Orgel durch Kriegsbomben schwer beschädigt.

Die Orgel wurde 1956/57 durch die Erbauerfirma Instand gesetzt. Dabei wurden Prospekt und Klang des Instrumentes versachlicht und im Geiste der fünfziger Jahre „norddeutsch“ „barockisiert“. Zwei der drei Schwellwerke wurden entfernt, manche Pfeife erhielt neue Mundöffnungen (Labien) und Kerne, Aufschnitte wurden erniedrigt, neue hochliegende Obertöne und neobarocke Zungenstimmen fanden ihren Weg in die Orgel, der Wind wurde verändert.

Der damalige Orgelexperte und Domorganist von Speyer, Ludwig Doerr, schrieb in seinem Abnahmegutachten:

„Die Umdisposition geschah ökonomisch, es wurde an Pfeifenmaterial so viel belassen bzw. wiederverwendet als nur irgendwie möglich war.“

Was sich 53 Jahre später als Glücksfall herausstellen sollte.

Restaurierung: Wiederhergestellter Ursprungszustand

In den Jahren 2010 bis 2012 erfolgte die Restaurierung des Instrumentes durch die Firma Romanus Seifert & Sohn, Kevelaer. Ziel war die Rückgewinnung des Ursprungszustandes sowohl in klanglicher als auch in optischer Hinsicht.

Dank eines bedeutenden Nachlasses von Frau Dr. Aenne Hoffmann zugunsten des Fördervereins Freunde der Marienkirche Landau/Pfalz e.V. und des Engagements der Kirchenmusiker Norbert Kiefer und Rudolf Peter und mit Unterstützung meines Vorgängers Dekan Klaus Armbrust war es möglich, das Orgelprojekt zu realisieren.

Das Ergebnis der Maßnahme kann sich hören und sehen lassen. Im 100. Jubiläumsjahr der Marienkirche konnte die folgenrichtige Restaurierung der Orgel im Weihegottesdienst am 3. Dezember 2011 von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann vollendet werden.

Die Orgel der Marienkirche zählt nun zu den wenigen Instrumenten dieser Größenordnung aus dem frühen 20. Jahrhundert, die original erhalten sind.

 

historische Windmaschine von 1924 wieder in Betrieb

Pünktlich zum 100. Geburtstag der Steinmeyer-Orgel am 26. Oktober 2024 konnte durch Spenden (herzlichen Dank allen für die Unterstützung) die historische Windmaschine von 1924 nach umfangreicher Renovierung montiert und angeschlossen werden. Die Jubilarin erhielt ihre erneuerte historische Lunge, die das Instrument mit einer wunderbaren Präsenz im Kirchenraum ausstattet.

Freuen Sie sich mit uns über das hörbare Ergebnis der Wiederinbetriebnahme.

Jubiläumskonzert am 26. Oktober 2024

Markus Eichenlaub ist seit 2010 als Domorganist in der weltweit größten romanischen Kathedrale, dem Speyerer Kaiser- und Mariendom, für die gesamte liturgische wie konzertante Orgelmusik ver­antwortlich.

Und: Markus Eichenlaub hat hier an der Steinmeyer-Orgel seine Laufbahn begonnen. Von 1985-1997 hat er regelmäßig Gottesdienste an der Landauer Marienkirche an dieser Orgel begleitet.

Ich begrüße ihn und seine Familie ebenso herzlich wie die Familie des Mitte Oktober 2021 verstorbenen Norbert Kiefer. Bei Norbert Kiefer lernte Markus Eichenlaub das Orgelspiel – mit ihm verbunden.

Norbert Kiefer war 70 Jahre als Organist und Chorleiter tätig, dabei über ein halbes Jahrhundert an der Landauer Marienkirche, die für ihn mit der Steinmeyer-Orgel zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit gründete und leitete er die Zweigstelle Landau des Bischöflichen Kirchenmusikalischen Instituts und gab sein Wissen und seine Leidenschaft für die Orgelmusik auch an Markus Eichenlaub weiter.

Markus tut Gleiches: als ordentlicher Professor für Orgelliteratur und Liturgisches Orgelspiel in den Jahren 2000-2010 an der Essener Folkwang Universität oder bei Professurvertretungen und Lehraufträgen in Heidelberg, Mainz und Saarbrücken.

Die Aufführung des vollständigen Orgelwerks von Johann Sebastian Bach im Jahr 2000 fällt in die Zeit seiner Tätigkeit als Limburger Domorganist (1998-2010). Nach der zyklischen Aufführung der zehn Orgelsymphonien von Charles-Marie Widor (2012) im Speyerer Dom folgte 2022 an gleicher Stelle die Aufführung des Gesamtwerks von César Franck in drei Konzerten. Von 2010-2018 leitete er als Diözesankirchenmusikdirektor die Abteilung Kirchenmusik im Bistum Speyer.

Neben seiner regen internationalen Konzerttätigkeit als Solist ist er auch als Begleiter renommierter Gesangs- und Instrumentalsolisten gefragt. Er gewann bedeutende Aus­zeichnungen und Preise bei internationalen Wettbewerben. Die zwischenzeitlich mehr als zwanzig CDs umfassende Diskographie zeugen von seinem künstlerischen Schaffen und seiner Repertoirevielfalt.

 

Text: Dekan Axel Brecht zum Orgeljubiläum